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Unser Beitrag zum Equal Care Day

Am 29.2. (bzw. in Nicht-Schaltjahren am 1.3.) ist der Equal Care Day. Bis vor ein paar Tagen wusste ich nicht, was das ist, las aber dann bei Frau Rabe drüber und habe beschlossen, in Zusammenarbeit mit Jott die Fragen der Initiatoren zu beantworten. Hier also ein Einblick in unser Familienleben bzw. unsere Aufteilung der anfallenden Arbeit in einer Familie mit zwei Säuglingen und einem Kleinkind.

Aktuelle Berufstätigkeit

Jott: Assistentin der Geschäftsführung im Mutterschutz (Festanstellung)

herrpaul_: Webentwickler/ Technischer Projektleiter (Festanstellung) (Übersetzung: Ich arbeite an der Erstellung und Betreuung von Websites in einem Team mit mehreren Leuten und berate Kunden/ koordiniere Projekte).

Verhältnis der Erwerbstätigkeit und der Familienarbeit

Jott: Familienarbeit 24/7 (Mutterschutz/ Elternzeit), ansonsten 40h/Woche

herrpaul_: Ich habe meine Wochenarbeitszeit auf 35h reduziert, was auch so ziemlich der tatsächlichen Arbeitszeit entspricht. Durch den langen Arbeitsweg und das Bringen und Abholen von M. aus der KiTa bin ich allerdings im Schnitt mindestens 10 Stunden am Tag außer Haus. Wenn ich zu Hause bin, ist Familien(arbeits)zeit angesagt.

  1. Wie ist die Care-Arbeit bei Euch zuhause auf die Erwachsenen verteilt? Gibt es feste Zuständigkeiten?

    Jott: Da ich gerade den Großteil meines Tages zu Hause verbringe, weiß ich was an Arbeit anfällt, was besorgt oder erledigt werden muss. Daher koordiniere ich viele Dinge und teile die Aufgaben auf bzw. zu – herrpaul_ und ich hatten mal ein Gespräch über Schlafsäcke. Ich meinte wir bräuchten für M. noch einen zweiten / einen Ersatzschlafsack. Er hatte das gar nicht auf dem Schirm.
    Die hauptsächliche Zwillings-Care-Arbeit liegt bei mir (7:00 – 18:00 und 22:00-6:00).
    Ansonsten bin ich der M.-An-und-Auszieher (unsere Mama-Kind-Zeit) und seit Kurzem Ins-Bett-Bringer.
    Essen bestellen, Wochenend-Mittagessen zubereiten, Betten beziehen und Wäsche zusammenlegen sind auch meistens die Hausarbeiten, die mir so noch einfallen und in meinen Zuständigkeitsbereich fallen – da fällt mir auf: ich mach` ganz schön viel :)
    Alles andere macht herrpaul_ oder macht der, der gerade Zeit hat oder sich nicht gerade um eines der Kinder kümmert – außer den Müll, den bringt immer herrpaul_ runter

    herrpaul_: Festgelegte Zuständigkeiten gibt es an sich nicht. D.h. beide können den Haushalt auch allein schmeißen. Weil Jott allerdings die letzten Jahre zu Hause war (Arbeitsverbot in Schwangerschaft/ Mutterschutz/ Elternzeit), hat sie nach und nach wesentlich mehr Aufgaben im Haushalt und für die Familie übernommen. Wenn ich zu Hause bin, erledige ich meinen Teil der anfallenden Arbeiten (Wäsche, Aufräumen, Kinderpflege).

    Da M. und ich den gleichen Weg zur KiTa/ ins Büro haben, übernehme ich zu 99% das Bringen und Abholen, kümmere mich um seine Wechselklamotten, stelle seine Frühstücksdose zusammen und stehe im Austausch mit den Erzieherinnen (tatsächlich alles Frauen in seiner Gruppe).
    Außerdem schlafe ich bei ihm im Zimmer und bin, wenn er Nachts aufwacht (meist mehrmals die Nacht, inzwischen manchmal öfter als die Zwillinge…) für ihn da.
    Die Zwillinge werden nahezu ausschließlich von Jott betreut. Meist beschränken sich meine Tätigkeiten auf einen schmalen Zeitkorridor zwischen 6 und 7 Uhr morgens und nach meiner Rückkehr am Abend, d.h. von ~17-30 Uhr bis ~22 Uhr. Dann wickle ich, gebe Flaschen, ziehe Schlafanzüge an, helfe beim Einschlafen, kümmere mich um die Nacht-Vorbereitungen (Flaschen waschen, neu befüllen, Thermoskannen bereit stellen, etc.) und erledige eben alles, was anfällt. Ziel-Zustand ist, dass Jott, nachdem die Kinder im Bett sind (derzeit ~20 Uhr/ ~20:30 Uhr), nichts mehr machen muss, sondern Zeit für sich hat. Das klappte die letzten Tage meines Erachtens recht gut.

  2. Warum teilt Ihr Euch anfallende Care-Arbeit untereinander auf? Welche Vorteile habt Ihr dadurch?

    Jott: Jeder macht das, was er am besten kann oder der, der Zeit hat. Dadurch sparen wir Zeit (herrpaul braucht ewig um die Wäsche zusammen zu legen), es gibt dadurch tagsüber keine
    unnötigen Pausen bzw. Wartezeiten (die man eh nicht für Erholung nutzen kann, da es ja gleich wieder mit irgendeiner anderen Aufgabe weiter geht) und letztendlich haben wir beide
    früher „Feierabend“.

    herrpaul_: Weil wir zwei Leute mit je einem gesunden Paar Händen sind und es daher keinen Grund gibt, warum wir uns die anfallenden Arbeiten im Haushalt nicht teilen. Jeder kann und macht alles. Alles andere wäre unfair.
    Und so toll sind die meisten Haushaltsaufgaben eben nicht, als das man den Partner allein "leiden" lassen möchte.

  3. Welche Nachteile und Schwierigkeiten gibt es, welche Hürden?

    Jott: Es gibt viel zu besprechen und zu organisieren – aber mit kleinen Hilfsmitteln (gemeinsamer
    Google-Kalender, Einkaufs-App) geht das alles ganz gut.

    herrpaul_: Unterschiedliche Ansichten, wann beispielsweise etwas schmutzig ist, oder wann etwas wie erledigt werden soll. Wir haben auch verschiedene Mentalitäten: Jott sprint gern aus dem Bett auf, legt sofort mit dem Hausputz los und zieht das Zimmer für Zimmer an einem Vormittag durch. Ich gehe das eher gemächlich an, mache mehr durcheinander und mit Pausen für andere Dinge.
    Da hilft aber in der Regel Kommunikation, entweder direkt oder mittels technischer Hilfsmittel (gemeinsamer Kalender, Einkaufs-App.).

  4. Wäre es nicht praktischer, eine Person des Haushalts würde sich alleine darum kümmern und so auch den Überblick und die Verantwortung behalten?

    Jott: Nicht nur praktisch. Es gibt oft den Moment, wo ich mir denke, dass mir das auch echt Spaß macht (gehen wir mal davon aus, dass die Kinder mindestens 5 Stunden in der Kita wären), nur ist es leider auf Dauer nicht so erfüllend.

    herrpaul_: Nein. Wenn die Person ausfällt- warum auch immer- ist der andere aufgeschmissen. Eigentlich muss jederzeit gewährleistet sein, dass auch bei Ausfall eines Partners der Haushalt/ die Familie funktioniert.

  5. Wodurch / Wann stoßt Ihr an Grenzen der fairen Aufteilung?

    Jott: Durch bestehende Gegebenheiten (Elternzeit [wenn beide gleich viel Zeit nehmen, fehlt eben Geld in der Haushaltskasse], Kita-Bring-und-Hol-Dienst [Kita in Mitte und der nahe
    Arbeitsplatz von herrpaul_ und die Unvereinbarkeit von Zwillingen, Kita-Weg und Öffentlichen
    Verkehrsmitteln]) und Vorlieben/ Zwänge (Ich zitiere gern Frau rabe: „Orga-Mensch“ und „Kontrollzwang“ ;)

    herrpaul: Am unterschiedlichen Zeiteinsatz, den wir momentan für die Care-Arbeit aufbringen können.

  6. Leben Kinder in Eurem Haushalt? Hat sich die Verteilung der Care-Arbeit verändert im Vergleich zur Zeit ohne Kinder?

    Jott: Ja. Sogar 3 unter 2! Dadurch muss die Care-Arbeit (Wer hat sich dieses Wort nur ausgedacht?!) strukturierter
    und durchorganisierter sein. Wir können nicht mehr so in den Tag leben und die Achseln zucken und sagen „machen wir dann einfach morgen“

    herrpaul_: Ja, dreie. Wir haben dadurch deutlich weniger Zeit zur Verfügung (d.h. es ist effektiver, wenn Jott die Wäsche zusammenlegt und ich in der Zeit etwas anderes mache) und müssen uns wesentlich stärker absprechen/ auf den anderen verlassen können.

  7. Was hat sich verändert mit dem Älterwerden der Kinder? Musste die Aufteilung in Frage gestellt und evtl. neu verteilt werden?

    Jott: In der Elternzeit war/bin ich hauptsächlich die, die für das Leben Zuhause zuständig ist. Wie es mit 2 arbeitenden Elternteilen aussieht, wird sich dann 2018 herausstellen.

    herrpaul_: Das wird sich zeigen, sobald Jott wieder ins Berufsleben zurückkehrt.

  8. Welche Reaktionen bekommst Du von anderen für Dein Tun als Mann bzw. als Frau?

    Jott: Keine sonderlich besondere Reaktion. Es ist ja doch eher noch die Normalität, dass die Frau den hauptsächlichen Teil der Elternzeit nimmt.

    herrpaul_: Das es eine ganz normale Sache ist. Wenn ich allerdings Jott von ihren Freundinnen und deren Partnern reden höre, ahne ich, dass wir in einer Filterblase leben.

  9. Erzähle von einer Situation, einem Gespräch, in dem Du eine positive und eine, in dem Du eine negative Reaktion erfahren hast.

    Jott: Oft bekomme ich fragende und unverständliche Blicke oder Kommentare, wenn ich erwähne, dass ich gern Vollzeit oder mit 35 Stunden in meinen Beruf zurück möchte. Wie ich das denn
    mit DREI kleinen Kindern machen möchte?! Ich sehe kein Problem darin, wenn wir uns weiterhin die Care-Arbeit teilen.

    herrpaul: Der Klassiker: Ältere Frauen, die ganz begeistert sind, wenn der Papa allein mit Kindern unterwegs ist. Ansonsten krieg ich gar nicht viele Reaktionen mit.

  10. Was würdest Du Deinem jüngeren Ich mit auf den Weg geben, das weder Kinder hat noch in einer Partnerschaft lebt, wie es mit dazu beitragen kann, dass Equal Care gelingen kann?

    Jott: Bleib weiterhin stark, lass dich nicht unterkriegen und stehe für dich, deine Ziele und Wünsche ein!
    UND
    Such dir einen gebildeten Mann aus der Stadt! (Wenn ich mir die Beziehungen und Rollenverteilungen meiner Freundinnen ansehe, die eher ländlich wohnen [geblieben sind], bin ich oft verwirrt, wie eigentlich starke und emanzipierte Frauen so ein altbackenes
    klassisch konservatives Rollenverhalten leben [können].)

    herrpaul_:

    • Lerne frühzeitig, allein einen kompletten Haushalt zu schmeißen.
    • Guck immer hin, was Dein Partner macht, und mache mit.

  11. Was wünschst Du Dir von Politiker*innen?

    Jott: Einen stärkeren Ausbau des Kitanetzes unter Einhaltung eines deutlich höheren Ausbildungsniveaus der Erzieher.
    Und aus aktuellem Grund: Die kostenfreie Nutzung von Angeboten der Familienhilfe (Stichwort Schreiambulanz).

    herrpaul_: Was Jott sagt. Zusätzlich: Beitragsfreiheit für KiTas + Übernahme von Materialkosten in KiTa/ Schule/ Studium durch den Staat (von mir aus auch mit Abschaffung des Kindergeldes), 100% Elterngeld bei 50:50-Aufteilung, Belohnung von familienfreundlichen Betrieben, ein schnell agierendes und kostenloses Notfall-Netz wenn Eltern/ Kinder krank sind, …

  12. Was wünschst Du Dir von anderen Entscheidungsträger*innen?

    Jott: Dass ich meine Ehe oder meine Kinder in Bewerbungen nicht mehr „verheimlichen“ muss, weil ich sonst nicht einmal einen Gesprächstermin bekomme und das verheiratet und 3 Kinder
    nicht automatisch bedeutet: oft Krank, unpünktlich, macht keine Überstunden,…
    Denn Equal Care bedeutet eben auch, dass der Partner sich auch da gleichberechtigt einbringt.
    Und dazu benötigt es auf anderer Seite flexiblere Arbeitszeiten und –modelle (für Männer und Frauen).

    herrpaul_: Falls damit beispielsweise Arbeitgeber gemeint sind: Erleichterung von Home Office, familienfreundliche Meetingzeiten, Vertrauen in Eltern-Arbeitnehmer

  13. Was wünschst Du Dir konkret für Deinen Alltag anlässlich des Equal Care Day 2017?

    Jott: Anregungen und Inspirationen von anderen Familien(-modellen) und das Umdenken einiger Firmen hinsichtlich Home Office und gleitender Arbeitszeit.

    herrpaul_: Mehr Familienzeit durch weniger Arbeitszeit bei gleichbleibenden Gehalt (der Wunsch muss nicht realistisch sein, oder?).